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Schachcomputer Mephisto 2II

Über Schachcomputer

Wieso gibt es heute noch Bedarf an Schachcomputern? Wer braucht diese Geräte überhaupt? Wovon wurden sie verdrängt?

Brauche ich einen Schachcomputer? Ich sage Nein, aber wie steht es mit Ihnen? Wenn ich einen Spielpartner brauche, gehe ich ins Netz, und das tue ich häufig. In der Vor-Quarantäne-Zeit bin ich auch im Schachclub gewesen. Oder ich treffe mich mit einem Schachspieler. Für einen Schachcomputer habe ich keine Verwendung. Also nicht für so einen Apparat mit Modul und Schublade und blinkenden LED auf den Feldern.

Ich habe Schallplatten und einen Technics 1200, viele analoge Kameras (noch im Einsatz) und ich würde auch gern einen Oldtimer fahren. So ein Computer aus der Steinzeit hätte für mich jedoch nur Spielzeugwert. Beim Betrachten alter Werbung und Prospekte aus der goldenen Ära des Computerschachs vermittelt sich etwas von der Faszination, die für einige Menschen von Schachmaschinen ausgegangen ist. Marktführer Hegener + Glaser warb überall, in Kaufhäusern spielten Schüler mit den Geräten.

Ein neues Modul für den Lokalrechner
Der Mephisto Exclusive mit der ausziehbaren Modullade.

Der Mephisto Exclusive mit der ausziehbaren Modullade.
Foto: Wikipedia (Rabax63)

Der Wirt der Lübecker Kneipe „Uhlenbusch“ hatte nicht nur lecker gebackene Baguettes im Angebot, sondern auch ein flottes Modell des Mephisto Exclusive, Amsterdam, Dallas, Roma oder Almeria, die genaue Typenbezeichnung kenne ich nicht mehr. Dreißig Jahre später sagte mir jemand, ich hätte mal gegen diese Maschine auf Zeit gewonnen, aber daran kann ich mich nicht erinnern. Jedenfalls war der Wirt jedes Mal sehr stolz, wenn er dem Lokalrechner ein neues Modul spendiert hatte.

Der frisch entstaubte Uhlenbusch-Mephisto - Foto: uhlenbusch.org

Dies ist der historische Mephisto Exclusive aus dem Uhlenbusch.
Foto: uhlenbusch.org

Update 3. November: Uhlenbusch-Wirt Ulrich Reimann ist anlässlich dieses Beitrags in den Keller gestiegen und hat uns dieses Bild des historischen Modells geschickt. Es handelt sich um einen Mephisto Exclusive. Er berichtet:

„Kurz gesucht, verstaubt gefunden und Bild gemacht (siehe Anlage Bild Mephisto Exclusive Modul MM4). Übrigens: Der erste, der den MM4 damals geschlagen hat (ich glaube da war er 16) und dafür wie jeder einen 0,5l-Steinkrug voll Bier/Alster gewann war: Ullrich Krause – heute Präsident des Deutschen Schachbundes.“

Zahnarzt mit Rechner im Belmont

Stolz war auch ein Mann – war es ein Arzt? – der während des „Berliner Sommer“-Turniers im Café Belmont seinen Schachcomputer (sicher ein Mephisto) ins Lokal mitnahm und das Gerät gegen Großmeister spielen ließ. Es muss wohl 1989 gewesen sein und Uwe Bönsch hat nach meiner Erinnerung die Menschheit vertreten, aber sicher bin ich mir nicht. Auf jeden Fall hat Bönsch im Mauerfalljahr am Turnier teilgenommen.

Der Madeleine-Effekt
Schachcomputer Mephisto 2II

Schachcomputer Mephisto 2II, Preis von 1981 laut schachcomputer.info: rund fünfhundert Mark.

Ich war noch kein Vereinspieler, als ich einen Mephisto 2 II bekam, und mit diesem Spielpartner machte mein Spiel Fortschritte. Ich gebe es zu: jetzt werde ich beinahe nostalgisch, wenn ich auf der Display-Abbildung

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in großformatiger LCD-Schrift lese und mir fällt alles wieder ein wie dem Erzähler in „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ beim Tee mit der Madeleine, wie ich das erste Mal mit Weiß gegen Grünfeldindisch gespielt habe (und wie bizarr ich diese Strategie fand), ohne zu wissen, was das überhaupt ist. Oder Spanisch oder das Königsgambit. Und die Notation habe ich dabei auch noch gelernt.

Lebendiger Sammlermarkt

Großmeister Jan Gustafsson erzählt im Podcast „Schachgeflüster“, wie er als Kind auf seiner Langzeitreise mit dem Segelboot Schach ständig mit einem Mephisto gespielt hatte. Viele verbinden mit den Geräten heute noch etwas, das zeigt sich am regen Sammlermarkt.

Heute könnte ein Kind sein Telefon mit aufs Segelboot nehmen und mit einer App spielen. Wer weiß, ob es in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren App-Nostalgiker geben wird, vergleichbar mit jenen, die sich Spieleautomaten mit Computerspielen kaufen, die in den Achtzigern in Kinos standen. Ich habe „Space Invaders“ und „Pac Man“ für Android, aber eigentlich nur, um das meinen Töchtern zu zeigen, wie es damals in der Goldenen Zeit der Arcade-Spiele aussah.

Wer jedenfalls in diese Welt abtauchen möchte: Schachcomputer.info bietet die geballte Kompetenz an Wissen, Detailsammler werden hier fündig.

Cheatender Computer?

Wer nicht alt genug ist, wird das Spektakel-Gefühl von einst nicht so nachempfinden können, das 1996 und 1997 von den zwei Matches Kasparow gegen Deep Blue ausging. Schach wurde wieder einmal Thema in den Zeitungen. Lange danach gab es unterschiedliche Ansichten über den Verlauf des Wettkampfes, denn der Weltmeister hatte unstimmige Details beobachtet und diesen Verdacht öffentlich geäußert. Ironischerweise wäre es bei dieser Möglichkeit ein paradoxer Cheating-Fall, wo ein Computer mit Hilfe menschlicher Denkkraft behumpst und nicht umgekehrt, wie es heute üblich ist.

Visionär war Stanley Kubricks Interpretation des Schachcomputer-Themas dreißig Jahre vorher in „Space Odyssey“ nach der Romanvorlage von Arthur C. Clarke. Aber das ist Schnee von gestern. Heute gibt es Stockfish und die neuralen Netzwerker Leela und Alpha Zero. Wer denkt noch an Fritz und Shredder? Die Programme Stockfish und LeelaZero sind kostenlose Open-Source-Produkte und dürften den Markt für kommerzielle Engines wie Junior, Fritz und Hiarcs praktisch stillgelegt haben. Alpha Zero ist ein hermetisch abgeriegeltes Elfenbeinturmedelprojekt des Informationstechnologieimperiums Google, dessen „Deep Mind“-Projekt Computer mit der Komponente „Gedächtnis“ erweitert.

Wieder etwas zum Basteln

Allerdings können sich auch heute Technikbegeisterte mit schicken Maschinenteilen beschäftigen, denn jetzt brauchen die CUDA-Programme Hochleistungs-Grafikkarten (damit können darauf abgestimmte Rechenprozesse noch leistungsstärker verarbeitet werden), das heiße Ding der Saison heißt GeForce RTX3090, kostet rund 1500 Euro.

Was Profis und Amateure brauchen

Die Frage, welches Programm die stärkste Engine aufzufahren hat, interessiert heute in der Praxis am ehesten die Schachprofis und die Branchenspezialisten und jene, die sich ihnen nahefühlen. Die anderen schalten einfach die Engine ein und beobachten die Bewertung.

Wenn ein erfahrener Meister und Schachautor wie Christoph Sielecki ein Werk über ein bestimmtes Repertoire oder eine spezielle Variante veröffentlicht, mietet er zum Überprüfen kritischer Abspiele Hochleistungsrechner mit entsprechender Software an, mit denen er die Verzweigungen auf Verlässlichkeit abklopft.

Wenn sich Magnus Carlsen oder Fabiano Caruana vorbereiten, dann arbeiten ihre Teams ebenfalls nicht mit handelsüblichem PC und Standardsoftware – sie benötigen aber auch edles Material, das nicht für Normalsterbliche gedacht ist. Und gewöhnlich haben Spieler dieses Kalibers auch ihre Wege, um sich diese Quellen zu erschließen.

Doch dazu auch eine Antithese: Star-Autor Boris Avrukh, dessen Eröffnungswerke allgemein sehr hoch geschätzt werden, analysiert heute noch mit Stockfish 6. Aktuell ist die Version Nummer 11.

Schrauber und Fahrer

„Too Much Information“ ist die Devise im Schach heutzutage. Aber je dünner die Höhenluft, desto größer die Ansprüche. Eine in langer Forschungsarbeit entdeckte Möglichkeit, eine besondere Idee, eine winzige Lücke reicht für eine Partie. Manchmal wird diese Trumpfkarte jahrelang zurückgehalten, bis sich eine Chance zum Ausspielen ergibt.

Teilen wir den Markt ein, gibt es Anwender und Liebhaber. Praktiker und Schwärmer. Einige haben ein Motorrad, weil sie am Wochenende gern an Motorrädern schrauben. Sie hören leiseste Nuancen am Motor und haben ein Händchen für die Wartung der schönen Technik. Andere fahren gern. Ich fahre gern, habe aber auch ein Ohr für Nuancen.

Der Amateur-Schrauber mit dem Maserati

Befremdlich ist für mich, was Spieler mit, sagen wir, 1500 Elo oder 1700 an so einer Hochleistungsengine mit 1500-Euro-Grafikkarte anfangen. Wieso soll da nicht auch Stockfish 6 reichen? Ist es das Gefühl, Herr über so ein hochgetaktetes Maschinchen zu sein? Die Freude an der Technik? Jene Freude, die ich empfinde, wenn ich eine Nikon F5 oder Hasselblad C/M 500 in der Hand habe? Dazu geben die Maschinen nicht genug her, finde ich.

Als die Sache mit Leela Zero noch neu war, habe ich gestaunt, wie viele Stellungen, die seit Negis Standardwerk für 1.e4-Spieler problematisch wurden, plötzlich wieder spielbar waren. Die Sache ist aber sehr zeitaufwendig, und wer kein Bundesliga-Spieler ist oder in noch höheren Regionen spielt, wird nur aus Liebhaberei den zeitraubenden Aufwand betreiben, die Analysen frisch zu halten. Außerdem bedarf die Fülle an Informationen ein gutes Gedächtnis. Und welcher Großmeister hat noch nicht zugegeben, sich an ein bestimmtes Abspiel nicht mehr erinnern zu können?

Wo Schachcomputer sich nützlich machen

Es gibt aber ein sehr nützliches Einsatzgebiet für das Spielen mit Computer: Eine Möglichkeit ist, zu Trainingszwecken Gewinnstellungen auszuspielen. Das andere sehr wichtige Einsatzgebiet: neue Stellungen und Spielideen mit Hilfe des digitalen Spielpartners zu üben. Der mault nicht, wenn er immer wieder die gleichen Stellungen spielen soll.

Computerschach im Allgemeinen ist für die Menschen zu anspruchsvoll geworden, deswegen werden für den Markt die Anwendungen interessanter, die sich auf eine intelligente, nach Möglichkeit auch geschmackvolle Weise zu den Menschen hinabbeugen. Doch darüber ein andermal mehr.

 

Nachtrag:

Dem kann ich nur zustimmen. Ich habe keine Partie mit dem Mephisto 2 II aufgehoben, aber ich weiß, wie mein Spiel systematischer wurde im Umgang mit dem Gerät. Und wie gesagt: diese Grünfeld-Partien! Ein bisschen schade war es, wenn man die Level in einer bestimmten Variante geknackt hatte, denn der Rechner wiederholte die Fehler immer wieder aufs Neue. Ob ich die Disziplin aufgewendet habe, dann eben eine andere Variante zu spielen, weiß ich nicht mehr.

https://twitter.com/Jochen_Jansen/status/1323545881480744968

Ein bisschen schwierig, so zwischen Twitter und Blog umzuschalten, aber so lassen sich wertvolle Kommentare auch integrieren.

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