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Knappe Aufmerksamkeits­spanne: 10 Tipps

Jeden Tag versuchen selbsternannte Experten, uns unsere kurze Aufmerksamkeitsspanne zu nehmen. Dabei ist das sogenannte Defizit im Grunde ein Zuviel an Potenzial. Zehn wertvolle Tipps, wie Sie sich schützen können.

English Version

Neider nennen das Aufmerksamkeitsdefizit. Wir nennen das nicht so. Wir lieben es, wenn unsere Aufmerksamkeitsspanne so kurz ist. Wir reagieren schnell, wir spielen schnell und wir handeln schnell. Neider wollen das auch oder versuchen uns zu “kurieren”. Dabei wissen wir nur besser als andere, was wir wollen und was wir nicht wollen. “Planet Schach” hilft: So halten Sie Ihre Aufmerksamkeitsspanne schön kurz.

1. Verringern Sie Ihre Bedenkzeit so weit wie möglich

Schnelles Spielen ist gut. Nur so trainieren wir unsere Entschluss­freu­dig­keit. Lösen Sie sich von der ewigen Bummelei am Brett. Schach braucht Action! Meiden Sie nach Möglichkeit auch Turnierpartien, denn die bringen gar nichts. Pure Zeitverschwendung. Bedenken Sie nur, wie viele Bullet-Partien man währenddessen spielen könnte. Wenn’s mal schief läuft: kein Problem. “New Game”, schon hat sich die Sache und alles ist vergessen.

2. Meiden Sie die Analyse

Sie können ja doch nichts am Ergebnis ändern. Ganz besonders nach einer Niederlage heißt es: “New Game”! Möglichst gleich und sofort, ohne Verzögerung. Wie die alte Cowboy-Weisheit beim Reiten. Wenn man vom Pferd gefallen ist, soll man sofort wieder aufsitzen.

Ist die Neugier aber doch zu groß: Nutzen Sie nur automatische Analysefunktionen. Niemals, wir müssen es an dieser Stelle ausdrücklich betonen: NIEMALS sollten Sie ihre Partien an einem Schachbrett analysieren, ohne die sichere und verlässliche Hilfe des Computers in Anspruch zu nehmen. Viel zu ungenau. Verwenden Sie auch nur automatische Analysetools, die sofort oder schon nach wenigen Sekunden das Ergebnis präsentieren. Und wenn Sie schon manuell Zug für Zug durchgehen, so achten Sie darauf, die Engine mitlaufen zu lassen. Ist der Fehler dann gefunden, halten Sie sich nicht mehr mit dem alten Zeug auf. Hätte, hätte Fahrradkette. Nächste!

3. Spielen Sie immer das Gleiche

Das verringert die Gefahr, dass Sie in Versuchung kommen, zu viele Positionen meistern zu müssen. Lieber am Tag einhundert Mal Londoner System, als ständig diese angeblich so interessanten Stellungen zu spielen, die man mühsam und womöglich mit Büchern erlernen muss.

4. Spielen Sie auf Falle

Spielen Sie das Englundgambit oder das Fajarowicz-Gambit. Verwirren Sie Ihre Gegner und locken Sie diese in Hinterhalte. Stimmt schon, die so­ge­nann­ten Widerlegungen sind insbesondere Spielern höherer Spielklassen bekannt, aber meist haben die Gegner nur einen Bauern mehr oder einen Entwicklungsvorsprung. Damit kommen Sie schon zurecht. Wir haben die Initiative, und das ist, was wir wollen.

5. Geben Sie Ihren Impulsen nach!

Sie wollen angreifen, wissen aber nicht wie? Viele Trainer raten dazu, das Angreifen systematisch zu lernen. Alles Quatsch! Werfen Sie einfach alles nach vorn. Ihr Gegner hat g3 gespielt und will kurz rochieren! BAM! Den h-Bauern nach vorn und dann Zack! Zack! Matt! Dann hat sich die Sache. Donnern Sie irgendwas in die Stellung – Sie werden schon sehen, Weiß ist schnell erledigt. Chaos ist gut.

6. Meiden Sie Bücher

Bücher und vor allem diese langwierigen, verschwurbelten, verquasten, praxisfernen Kalkulationsübungen, Spieler wie wir holen uns unser Training von Youtube-Videos. Lehnen Sie sich zurück und genießen Sie die Vorträge von anerkannten Meistern. Sie sind unterhaltsam und nur Neider nennen das Berieseln. Wie bei “The Matrix” stöpseln wir uns ein und laden uns unsere Programme. Skeptiker mögen sagen, unsere schnellen Gehirne würden so nicht stimuliert und das so Gelernte werde schlecht gespei­chert, aber das ist ja auch nur so dahingesagt. Diese naseweisen Studien sind wertlos, denn wir wissen: im Bullet spielt das alles keine Rolle. Deshalb brauchen wir auch keine Übungen, um beim Rechnen in die Tiefe zu gehen. Hat schon mal irgendjemand das Réti-Manöver in der Partie gehabt?

7. Spielen Sie nach Gefühl!

Beim Bullet brauchen wir diesen pseudoakademischen Kram nicht.
Vergessen Sie den Mythos des systematischen Lernens! Wir brauchen Praxis, kein Studium. Irgendwann kriegen wir schon raus, wie man diese elementaren Eröffnungen, Mittelspiele und Endspiele spielt. Sechs­tausend bis zehntausend Bullet-Partien, dann wächst das Wissen über eine Eröffnung schon von selbst. Wir sind Naturspieler und wollen uns unsere Persönlichkeit bewahren. Das ganze akademische Blabla ist nur für Zweitklassige, die keine eigenen Ideen haben. Wir schocken unsere Gegner mit unserem instinktiven Willen zur Dominanz. Das ist schon die halbe Miete.

8. Schaffen Sie sich Ihren Raum

Zocken ist gut und schafft Wohlfühl-Oasen. Erledigen Sie ihre Einkäufe, Badezimmer-Routinen und Behörden-Verpflichtungen grundsätzlich NACH ausgedehnten Bullet-Sessions. Wir brauchen unsere Kondition. Die anderen Dinge erledigen wir danach. Und wenn es doch etwas Unaufschieb­bares gibt: Erleben Sie den Kick, wenn Sie ausprobieren, wie viele Bulletpartien Sie noch schaffen, bevor Sie jetzt aber wirklich Ihr Kind von der Schule abholen müssen. Zeigen Sie Ihren Mitbewohnern ganz klar ihre Prioritäten auf: Keiner soll Sie aus der Konzentration bringen, während sie gerade auf Höchstleistung zocken. Schließlich geht es auch um wertvolle Ratingpunkte auf den Online-Servern. Stören Sie Ihre Kinder etwa beim Spielen? Na sehen Sie. Gleiches Recht für alle!

9. Meiden Sie echte Gegner

Spielen Sie lieber mit schwächeren Gegnern als mit stärkeren. Das ist wichtig für unser Ego. Spielen Sie auch lieber im Internet als mit echten Gegnern, meiden Sie Schachvereine. Das Internet schützt uns vor ungeliebter Nähe zum Feind. Wir wollen seine Punkte, nicht seine Gesellschaft. Das lästige Reden fällt weg, das ewige Diskutieren, die Ablenkung. Einfach alles, was nervt. Im Schachverein treffen wir auch auf zu viele Spieler, die heimlich lernen. Strebern wie diesen gehen wir aus dem Weg. Wir wollen uns auch nicht in Versuchung bringen lassen, unsere Zeit mit Theorie zu vergeuden.

10. Nicht rechnen. Handeln

„Es gibt keinen Löffel“, heißt es schon in „The Matrix“. Sehen Sie? Einfach machen.

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